Reisen vor 40 Jahren: 50 Stunden Fahrt bis nach Finnland lohnen sich - Eine Oma erinnert sich

Fernweh? Wir wollen die Welt und ihre wunderbare Natur entdecken, doch wie können wir das gestalten, dass uns diese auch noch lange erhalten bleibt? Auch vor 40 Jahren sind wir schon gereist und zwar auch ohne Flugzeug. Eine Oma erinnert sich.


Skandinavien –diese Länder im Norden Europas waren schon immer Ziel meiner Reisesehnsucht im kleinen Westberlin. Und so reisten wir damals mit unseren zwei Kindern meist nach Dänemark und Schweden mit Eisenbahn und Fähre.

Als wir dann vor 40 Jahren nur noch zu zweit auf Reisen gingen, erfüllten wir uns endlich unseren Traum, nach Finnland in das Land der Mitternachtssonne zu reisen.

Wir planten eine Rucksackwanderung durch Lappland, unter anderem wollten wir im Gebiet von Karhunkierros (Bärenrunde) wandern, einer reizvollen Gegend Südostlapplands dicht an der russischen Grenze.

Die Planung einer solchen Reise war vor vierzig Jahren viel aufwendiger als heute. Ohne Internet musste man sich alle Informationen aus der Literatur zusammensuchen, Fahrpläne für Eisenbahn, Fähre und Bus aus dem Reisebüro besorgen und möglichst dort auch Fahrkarten, Platzkarten, Schlafwagen usw. buchen. Wanderkarten bestellten wir in einer Buchhandlung aus Finnland.

Das nächste war die Checkliste, was wir alles mitnehmen mussten für drei Wochen. Alles sollte in den Rucksack passen, einschließlich der Lebensmittel für drei Tage. Mein Rucksack wog am Ende 14 kg ohne Lebensmittel. Auch ein kleines Zelt musste mit für den Fall, dass wir keinen Schlafplatz in einer Hütte finden.

Reisezeit war von Mitte Juni bis Anfang Juli.

Endlich ging es los. Mit der Eisenbahn von Berlin über Saßnitz/Trelleborg, damals noch durch die DDR, was nicht immer problemlos war. Wir fuhren mit dem Nachtzug auf die Fähre und kamen dann mittags in Stockholm an. Während der Fahrt durch Schweden konnte wir uns schon ein bisschen auf die nordische Landschaft einstimmen, Wälder, Seen, die roten Häuser wie bei den Geschichten von Astrid Lindgren. In Stockholm nutzten wir denn Zeit bis zur Abfahrt der Fähre nach Helsinki für einen Bummel durch die Altstadt.

Auf der Fähre konnten wir die frühen Abendstunden noch zum Genießen der Sonne und der frischen Meeresluft nutzen, dann Schlemmen am Skandinavischen Buffet und Schlafen in der Kabine an Board.

Wieder am Festland angekommen, ging es nach Norden, nach Kuusamo, dem Ausgangspunkt unserer Wanderung. Hier hatten wir dann den ersten kleinen Schock. Während wir auf den Bus warteten, fing es an zu schneien – in Helsinki waren wir bei sommerlichen 26 Grad abgefahren. Die nächsten Tage blieb es zwar kühl, aber der Schnee war nur eine kleine Episode gewesen. Der Busfahrer ließ uns dann mitten in der Natur am Ausgangspunkt der Wanderung aussteigen.

Drei Tage waren wir dann in einer wildromantischen Landschaft mit bergigen Wäldern, Flüssen, Seen, Mooren, Wasserfällen unterwegs. Übernachtet haben wir in Wildmarkhütten, die für jeden Wanderer zugänglich sind. Und dort trafen wir dann auch die wenigen Leute aus den verschiedensten Ländern, die hier unterwegs waren. Es gab viele interessante Gespräche und eine Menge zu lachen.

Der kleine Ort Juuma war Zwischenstation. Hier konnten wir Proviant fassen und fuhren dann weiter nach Inari. Mit einem Schiff fuhren wir dann auf den Inari-See und erlebten dort um Mitternacht, wie es ist, wenn die Sonne nicht untergeht – ein tolles Naturschauspiel. Das war überhaupt das faszinierende an der gesamten Reise, dass es nie dunkel wurde. Es war Tag und Nacht hell.

Von hier aus fuhren wir dann nach Lemmenjoki und mit dem Motorboot in das Wandergebiet im Lemmenjoki-Nationalpark. Wieder eine wildromantische Landschaft, in der man noch auf Goldwäscher traf, die man wandernd erreichte. Wir hatten allerdings Pech. Wir waren am frühen Morgen dort und die Goldwäscher schliefen noch und wir konnten sie nicht bei der Arbeit beobachten. Dafür hatten wir eine kuriose Begegnung. Als wir mitten in der Wildnis aus dem Motorboot stiegen, kam uns auf den Waldweg eine gut gekleidete Dame entgegen mit Kostümchen und Handtasche wie auf einer Bummelstraße in einer Großstadt. Wahrscheinlich gehörte sie zu den Goldwäschern und war auf dem Weg in die Zivilisation.

Das war unsere letzte Wanderstation. Wir fuhren zurück nach Helsinki, machten noch einmal zwei Tage Stadturlaub, bevor es dann wieder mit der Fähre nach Stockholm und von dort mit Fähre und Eisenbahn nach Hause. Bei der Rückreise passierte für uns etwas Merkwürdiges. Es wurde wieder dunkel nach fast drei Wochen ohne Nacht.

Einige Jahre später machten wir noch eine zweite Rucksackwanderung in Lappland. Wir fuhren nach Rovaniemi, wanderten im Pallas-Ounastunturi-Nationalpark über die Berge und zum Polarkreis. Das war übrigens eine herbe Enttäuschung, denn dort steht lediglich ein Schild, auf dem steht Polarkreis und die entsprechenden Daten stehen. Ansonsten ein unspektakulärer Ort und nur Touristenrummel. Der Rest der Reise war aber genauso interessant wie die erste Rucksackwanderung, aber in einer völlig anderen Landschaft.

Hier habe ich aber mal die reine Fahrzeit für die Hinfahrt ausgerechnet: Ohne Aufenthalte waren das 50 Stunden mit Eisenbahn, Fähre und Bus.

Ich fand das jedoch nicht anstrengend, denn wir hatten immer längere Aufenthalte an den Umsteigeorten eingeplant, um Land und Leute besser kennenzulernen. Außerdem fährt man auch nachts und kommt ausgeschlafen ans Ziel.

Warum sind wir nicht geflogen? Das war für uns damals keine Frage der Umweltverträglichkeit, die stand zu der Zeit nicht zur Debatte. Wir konnten uns schlicht und einfach fliegen nicht leisten. Es war zu teuer. Heute möchte ich in Europa möglichst nicht fliegen, denn man kann die Anreise so gestalten, dass man genügend Aufenthalte unterwegs einplant, damit die Anreise auch schon zum Genuss wird und nicht anstrengend.

Wer Natur erleben möchte, auch Anstrengung in Kauf nimmt und mit einfachen Übernachtungsmöglichkeiten zufrieden ist, dem kann ich wirklich Rucksackwanderungen in Finnland empfehlen.

Heute ist die Vorbereitung dank Internet wesentlich einfacher, denn man kann alles über diesen Weg recherchieren, vorbestellen usw. Es gibt ausgearbeitete Wanderrouten in den verschiedensten finnischen Nationalparks. Und ich habe recherchiert, es gibt immer noch die Möglichkeit, in Wildmarkhütten zu übernachten. Wenn wir in Ortschaften waren, haben wir meist in Sommerhotels oder Jugendherbergen übernachtet.

Diese Reiseform ist ein bisschen abenteuerlich, macht Spaß, bringt viele Überraschungen, sollte aber immer gut vorbereitet sein. Von all den Reisen, die ich gemacht habe, gehören meine Reisen in Finnland zu den schönsten und ich erinnere mich gern an sie. Sowohl die An- und Abreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, als auch die tollen abenteuerlichen Wanderungen.

Halt, etwas Wichtiges hätte ich beinahe vergessen: die Mücken! Sie waren überall, aber dank der guten finnischen Mückenschutzmittel haben sie nur genervt, aber nicht gestochen.

Zum Schluss möchte ich allen, die Natur erleben möchten, nicht alles perfekt haben müssen, sagen: Packt euren Rucksack und fahrt los!