Von Hamburg bis nach Athen, 2023 km Genuss

Fernweh? Oliver begibt sich von Hamburg bis nach Athen. Wir befinden uns mitten in der Reisezeit und wollen die Welt und ihre wunderbare Natur entdecken, doch wie können wir das gestalten, dass uns diese auch noch lange erhalten bleibt? Ein paar Anregungen und Inspirationen aus flugfreien Reisen.

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Jugendbegegnungen ohne Fliegerei sind möglich


Der Sportverein "Sand für Alle" aus Hamburg ist partnerschaftlich verbunden mit zwei Volleyballvereinen in Vororten von Athens Hauptstadt. Jeweils im Frühjahr reist eine Gruppe aus Hamburg an den Saronischen Golf, im Sommer kommen die Freund:nnen an die Elbe. Bereits zwei Mal wurden die Reisen mit Bahn, Schiff und Bus gemacht - zur großen Zufriedenheit der Reisenden. Auf der Reise konstituiert sich die Gruppe, sieht spannende Orte oder hat tolle Erlebnisse. Die jungen Menschen sehen und erleben den Wandel europäischer Landschaften und bekommen einen persönlichen Eindruck zur Reisedistanz.


Vorbereitung

Nachdem die Gruppe beschlossen hatte den Weg ohne Flugzeug zurückzluegen, haben wir ein auf Sportreisen spezialisiertes Reisebüro in Hamburg um Unterstützung gebeten, denn die Buchung von Gruppenreisen erfordert besondere Kenntnisse. Der www.uhlenhorster-reisedienst.de/ hat uns ein gelungenes Paket zusammengestellt. Reisebüros sind auch im Fall der Inanspruchnahme von Fahrgastrechten (Teilrückerstattung des Preises wegen Verspätung) hilfreich, denn die machen das ggf nicht zum ersten Mal. Kern jeder Überlegung ist das europäische Nachtzugnetz, denn diese Reiseart bietet die Möglichkeit zu schlafen und dennoch voranzukommen. Plant Eure Reise ausgehend von den passenden Teilstrecken. Ein weiterer Kern ist die zu nutzende Fähre, denn die ist oft alternativlos. Klar ist: Eine Reise ohne Fliegerei ist teurer und dauert länger, aber schöner. Danach wollt ihr nie wieder in ungastlichen Einkaufszentren mit Flugmöglichkeit warten auf Einchecken, Gepäckaufgabe, Sicherheitskontrolle, Boarding, Gepäckausgabe. Nie wieder Schuhe ausziehen, Gürtel rausziehen, Flüssigkeiten vermeiden, Gepäck wiegen, etc.


Reise


Als Fährhäfen haben wir Erfahrungen mit Venedig und Ancona - von beiden Häfen aus sind wir nach Patras geschippert. Um nach Venedig zu kommen haben wir den Nachtzug aus Hamburg gewählt, um in München in den Direktzug nach Venedig einzusteigen. Die Aufenthaltszeit wollten wir nutzen, um in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs Beachvolleyball zu spielen, aber der Nachtzug hatte so viel Verspätung, dass das aufallen musste.
Die Fahrt durch die Alpen ist spannend, aber der Zug meist voll. Die Sitze sind bequem, so dass die halbtägige Fahrt (11 bis 20 Uhr) keine Tortur ist.
Auf dem Festland vor der Lagune von Venedig sind in fußläufiger Entfernung extrem viele Hotelneubauten entstanden. Diesen Schlaffabriken fehlt es an Charakter, aber logistisch sind sie hilfreich. Da die Fähre erst am Nachmittag abfuhr, konnten wir den Vormittag in der Lagunenstadt verbringen und fröhliche Tourist:innen sein. Verwechselt nicht die Fähstation an der Lagune mit dem Fährhafen nach Hellas. Ersteres ist zentral gelegen, zweiteres hinter einem Industriegebiet weit außerhalb. Die Anbindung des Fährhafens mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist grotesk: Es fährt ein Bus aus der Stadt dorthin, aber am Eingang zum Terminal ist keine Haltestselle, so dass das Gepäck knapp 1.500m dorthin zurückgetragen/-gerollt werden muss. Es gibt auch ein Wassertaxi aus der Lagunenstadt dorthin mit sehr schöner Aussicht, aber dies bedient die selbe Haltestelle wie der Bus - also auch mit Fußweg.
Die Fährschiffe sind moderne Cruising-Einheiten mit komfortablen Kabinen mit bis zu vier Betten, Duschen, WC, etc. Die Qualität des angebotenen Essen entspricht realistischen Erwartungen, ebenso der Preis. Mitgebrachter Proviant aus einem venzianischen Lebensmitteleinzelhandel ist für einen Teil der Mahlzeiten eine empfehlenswerte Alternative.
Auf der Reise über Ancona haben wir keinen Nachtzug gewählt, sondern einen modernen Fernreisezug der Deutschen Bahn von Hamburg nach München. Das war schneller und günstiger, aber weniger easy (Abfahrt um 4 Uhr). Weiterfahrt von München dann mit den Kolleg:innen der Österreichischen Bahn (um 11 Uhr) durch die Alpen. Wir sind in Florenz umgestiegen, was im Hinblick auf die Orientierung im Bahnhof problemlos gelang. Eine irrtümliche Zugverwechslung in Italien (Schnellzug statt Regionalbahn) hat uns ermöglicht unseren Anschluss in Verona zu erreichen - trotz verspätetem Eintreffen in Florenz. Das italienische Personal hat unsere Ahnungslosigkeit bemerkt, aber das falsche Ticket akzeptiert. In Ancona sind wir verspätet gegen 23 Uhr eingetroffen. Die innerstädtische Hotelinfrastruktur ist familiärer, so dass noch ein Fußweg vom Bahnhof zum Hotel anstand. Abendessen war danach schwierig, weil viele Lokale die Küche bereits geschlossen hatten.
Am Vormittag sind wir mit einem Nahverkehrsbus zu den örtlichen Beachvolleyballfeldern gefahren und haben bei strahlendem Sonennschein und frühsommerlichen Temperaturen Beachvolleyball gespielt - ohne Neoprensocken und Thermo-Unterwäsche.
Die Weiterfahrt mit der Fähre hätte einfach sein können, da öffentliche Verkehrsmittel direkt zum innerstädtisch gelegen Fährhafen fahren. Sogar die Regionalbahn hätte uns direkt dorthin gebracht. Unser Fußweg hat der Gruppe indes nicht dauerhaft geschadet. Für die Qualität der Fähre gelten die selben Ausführungen wie oben.
In Patras wurden wir von einem Reisebus abgeholt, um die letzten Stunden nach Athen zurückzulegen. Bahnfahrt ist möglich, wobei der Weg von Fährterminal zum Bahnhof zu bewältigen ist. Ob es für diese Teilstrecke öffentliche Verkehrsmittel gibt, ist herauszufinden. Mit einmaligem Umsteigen brettert der Nahverkehrszug direkt in die Metropole Piräus/Athen mit diversen innerstädtischen Haltestellen.
Warum haben wir den Fährhafen gewechselt? Die Schiffsreise aus Ancona ist kürzer, das heißt wir kommen früher am nächsten Tag in Patras an und treffen dann nicht mitten in der Nacht in Athen ein. Zwei Stunden mit dem Zug in Italien verkürzen die Schiffsfahrt fast um 10 Stunden. Es besteht auch die Möglichkeit bei einem Fährzwischenstopp in Igoumenitsa das Schiff zu verlassen und eine mehrstündige Busfahrt durch das nördliche Hellas zu erleben. Das hätte zeitlich aber nur geringe Vorteile geboten und auf dem Sonnendeck liegen und die Küste entlang brummen ist viel entspannter.


Fazit


Jugendliche ab 15 Jahren können flugfrei durch Europa reisen. Die Reisezeit kann für Gruppenaktivitäten genutzt werden. Auf dem Schiff besteht an Deck ausreichend Platz, um auch große Gruppen zusammenzubringen. Prinzipiell vermieten die Reedereien bestimmt auch gern Tagungsräume an Bord an Gruppen, wenn die Umgebung etwas formaler sein soll. Alle unsere Schiffsfahrten waren unpünktlich. Verspätete Abfahrt, verspätete Ankunft. Haltet also alle Reisedokumente (Fahrscheine) zusammen, um Eure Fahrgastrechte (Teilrückerstattung des Fahrpreises) ausreichend belegen zu können. Im Hinblick auf die Weiterreise in Hellas sind also Varianten zu prüfen.

von Oliver Camp