Der Weg ist das Ziel - mit Zug und Bus nach Sarajevo

Wir befinden uns mitten in der Reisezeit und wollen die Welt und ihre wunderbare Natur entdecken, doch wie können wir das gestalten, dass uns diese auch noch lange erhalten bleibt? Linda gestaltet den Weg nach Sarajevo zur Reise selbst.

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Mein Freund hat sich 2019 bei einer Studienfahrt mit der Universität in Sarajevo verliebt und interessiert sich sehr für die Geschichte des ehemaligen Jugoslawiens. Da Sarajevo eine Partnerstadt von Magdeburg ist, hatte ich in meiner vorherigen Tätigkeit als Freiwilligenkoordinatorin bei einem gemeinnützigen Verein in Magdeburg bereits einige ESK (Europäisches Solidaritätskorps)-Freiwillige aus Bosnien kennenlernen dürfen und nachdem eine für den Sommer 2020 geplante Dienstreise nach Sarajevo nicht stattfinden konnte, wartete ich seitdem auf eine Gelegenheit, die Stadt zu besuchen. Und so traf es sich sehr gut, dass eine gemeinsame Freundin für drei Monate ein Praktikum in Sarajevo absolvierte und sich bereit erklärte, uns bei sich aufzunehmen.

Ich hatte keine Vorstellung von Sarajevo, bei einer Jugendbegegnung hatte mir ein Teilnehmer aber einige Bilder aus Bosnien gezeigt und seitdem wollte ich dort hinfahren, um die wunderschöne Natur zu erleben. In Sarajevo gibt es den eher christlichen und den muslimischen Teil. Wir hatten das Glück, den Beginn des Ramadans zu erleben und konnten den täglichen Kanonenabschuss bei Sonnenuntergang mehrfach beobachten. Unserer Erfahrung nach lohnt es sich in der Innenstadt von Sarajevo immer ein bisschen um die Ecke zu gehen, beispielsweise um einen köstlichen Börek-Laden zu besuchen, in den sich weniger Tourist*innen verirren.

Sarajevo_Seilbahn

Es hätte mit Bus und Bahn auch kürzere Verbindungen von Magdeburg nach Sarajevo gegeben, aber wir entschlossen uns insbesondere bei der Hinreise, den Weg zum Ziel zu machen und mit einigen spannenden Zwischenstopps zu verbinden.

Unsere Reise begann gleich mit einer Verspätung, denn kurz vor Halle fiel der Zug aus und wir mussten mit dem Schienenersatzverkehr fahren. Dadurch waren wir zwei Stunden später in Salzburg, was wir aber nicht so schlimm fanden. Dort gingen wir mit meiner Großtante, die ich schon auf der Durchreise meiner Zugurlaube 2021 und 2022 besucht hatte, spazieren, aßen und übernachteten bei meinem Kumpel, den ich bei den Besuchen ebenfalls wieder getroffen hatte. Am nächsten Tag fuhren wir meine andere Großtante im Altersheim in einer Stadt in der Nähe Salzburg besuchen, die ich schon seit fast zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Mein Freund fand das Altersheim mit Bergblick so toll, dass er nun schon einen Plan für sein Leben als Rentner hat ;).

Wir gingen dann in Salzburg spazieren und feierten abends in einem Irish Pub St. Patrick’s Day. Die Reise nach Bosnien beinhaltete so, Dank der Fahrt mit der Bahn, also schon einen kleinen Mini-Urlaub oder Ausflug im schönen Österreich.

Da unser Zug nach Zagreb erst um zwei Uhr nachts fuhr, wäre es eigentlich eine gute Idee gewesen, bis dahin wach zu bleiben. Wir waren aber sehr müde und legten uns nochmal hin, was das Aufstehen danach ziemlich erschwerte. Im Nachtzug angekommen, schliefen wir schnell ein, wurden aber um fünf Uhr morgens von einer älteren Frau geweckt, die ihren Schal suchte und Angst hatte, ihren Ausstieg (der etwa zwei Stunden später kam), verpasst zu haben. Während ich die Frage nach dem Schal in meiner Verschlafenheit gekonnt ignorierte, erbarmte sich mein Freund und half ihr. Auch wenn ich in dem Moment etwas genervt war, ist es für mich im Nachhinein eine lustige Geschichte und ich freue mich, dass sich auch ältere Personen trauen, mit dem Nachtzug zu fahren. Verwirrte oder laute Fahrgäste hat man meiner Erfahrung nach sowohl im Zug als auch im Flugzeug, da hilft es, die Situation einfach mit Humor zu nehmen.

Morgens gab es dann ein mit Schokolade gefülltes Croissant und Kaffee oder Tee. Während mein Freund noch durch seine BKMS (Bosnisch-Kroatisch- Montenegrinisch-Serbisch) Vokabelliste ging, war ich fasziniert von der Bettkonstruktion. Man konnte gut erkennen, wie der Zug wohl als Sitzabteil am Tag aussah. So war beispielsweise über meinem Bett ein Spiegel.

In Zagreb hatten wir etwas Umsteigezeit und konnten noch ein paar lokale Snacks auf dem Markt kaufen, bevor es dann mit dem Bus nach Jajce weiterging. In Jajce angekommen, trafen wir uns mit unserer Freundin und stellten unsere Sachen in unserer Unterkunft ab. Dafür mussten wir einen steilen Aufstieg auf uns nehmen, der die atemberaubende Aussicht aber wert war. Wir verbrachten den Abend in einer Bar und besichtigten am nächsten Tag den Wasserfall, die Burg und die Katakomben in Jajce, bevor wir am späten Nachmittag den Bus nach Sarajevo nahmen, unserem letzten Reisestopp und dem längsten Aufenthalt unserer Reise.

Kanonenschuss_Sarajevo

Auf der Rückfahrt fuhren wir erst abends und konnten so noch den ganzen Tag in Sarajevo verbringen. Mit dem Bus ging es dann nach Zagreb, wo es nach einer Woche T-Shirt-Wetter zum ersten Mal in Strömen regnete. Dann ging es weiter nach Wien, wo es nun wieder sonnig war. Wir liefen durch die Stadt und da ich ein Fan des Künstlers Hundertwasser bin, fuhren wir zum Hundertwasserhaus in Wien. Wir ließen den Abend in einem Brauhaus ausklingen und stiegen dann in den Nachtzug nach Frankfurt Oder. Am Gleis versuchte uns der Zugbegleiter ein Upgrade für ein Einzelabteil zu verkaufen, das wir dankend ablehnten. Im Zug stellte sich allerdings heraus, dass wir sowieso nur zu zweit (statt zu sechst) in unserem Liegewagen waren und eh ein Abteil für uns privat hatten. Zum Frühstück, das im Nachtzug inklusive ist, gab es dann Brot mit abgepackter Butter und einem winzigen (aber ausreichenden) Marmeladenglas, das wir nun als Gewürzglas verwenden. Eigentlich wären wir nach Berlin gefahren, allerdings fuhr der Zug wegen einer Baustelle über Frankfurt (Oder). Von da aus fuhren wir mit dem Schienenersatzverkehr nach Berlin und dann mit dem Zug weiter nach Magdeburg. Da mein Freund die vegane Currywurst liebt, die es nur in Berlin gibt, freute er sich über den Zwischenstopp in Berlin.

Wieso hast du dich für eine Reise ohne Flugzeug entschieden?

Ich fliege schon seit ein paar Jahren nicht mehr, weil ich das Klima nicht unnötig belasten möchte und ich generell nicht gerne fliege. Außerdem habe ich in den letzten Jahren auch ein paar weitere Reisen mit Nachtzügen unternommen und bin seitdem Fan von diesen geworden. Nach Bosnien ohne Flugzeug zu kommen, ist nicht so kompliziert, wie man das annehmen könnte. Während der Corona-Pandemie ist einer „meiner“ Freiwilligen auch von Magdeburg mit dem Bus nach Sarajevo gefahren. Von meinem Arbeitsort Würzburg aus gibt es beispielsweise dreimal die Woche einen Bus, der in achtzehn Stunden in Sarajevo ist. Wir wollten aber gerne den Weg zum Ziel machen und haben die Reise daher auf verschiedene Stopps aufgeteilt.

Was hat die Reise zu einem besonderen Erlebnis gemacht?

Am beeindruckendsten war für mich die Busfahrt von Zagreb nach Jajce, da wir wie in einer Art Canyon fuhren und uns der Weg stets an einem Fluss mit strahlend blauem Wasser vorbeiführte. Mir hat der kurze Aufenthalt in Jajce wirklich gut gefallen, den ich ohne die Busreise sicherlich nicht gemacht hätte. Mein Freund hatte auf seiner Studienfahrt dort einen Stopp gemacht und uns daher auf die Idee gebracht. Die Berge und der Wasserfall in Jajce sind wirklich sehr schön. Wir hatten auch eine sehr herzliche Gastgeberin, die uns mit selbst gekochtem Kaffee und (fast) veganen Keksen versorgte. In Jajce gibt es ziemlich viele Straßenhunde, die allerdings sehr friedlich sind. Mir hat es auch sehr gut gefallen, nach und nach zu reisen und uns dem Ziel immer mehr anzunähern.

Ich habe auch die Zwischenstopps in Österreich sehr genossen. Auf einen Zwischenstopp in Wien wären wir ohne die Nachtzugverbindung nicht gekommen und mit 14 – 22 Uhr war dies auch eine angenehme Zeit.

Beispiel_fuer_die_Flussfarbe

Welche Herausforderungen hattest du bei deiner Reise?

Leider hatten wir ziemlich Pech, insbesondere in Deutschland mit der Bahn, da wir zweimal in den Schienenersatzverkehr gerieten, wodurch wir auf der Hinfahrt zwei und auf der Rückfahrt fünf Stunden Verspätung hatten. Gerade bei der Rückfahrt waren wir irgendwann ziemlich müde und genervt davon. Allerdings wurde dadurch unsere Reise deutlich günstiger, da wir jeweils die Hälfte des Fahrpreises für die entsprechende Strecke zurück bekamen, was unkompliziert online über die Websites der DB und ÖBB ging.

Während der Rückfahrt ging meine Handyladebuchse kaputt und leider war die Zeit in Wien zu kurz um sie auszutauschen, um auf meinem Handy die Online-Tickets nutzen zu können. Glücklicherweise hatten wir alle Tickets ausgedruckt und waren zu zweit. Mein Freund wurde zu Beginn der Rückreise etwas krank, was so eine lange Reise sehr anstrengend machte. Da waren wir sehr froh über unser überraschendes Privat“zimmer“ im Zug. Das hätte es beim Flug nicht gegeben.

Für mich war die Rückfahrt im Bus auch sehr anstrengend, insbesondere da wir gegen 4 Uhr morgens die bosnisch-kroatische Grenze überquerten und alle aussteigen mussten, um unsere Pässe zu zeigen. Wir hatten insgesamt nur zehn Tage Zeit und konnten trotzdem einiges sehen. Im Nachhinein würde ich ein, zwei Tage mehr einplanen, um auf der Rückfahrt noch einen Zwischenstopp mit Übernachtung zu machen.

Was würdest du anderen Leuten empfehlen, die nach Bosnien ohne Flugzeug reisen wollen?

  • Schaut nach Verbindungen mit interessanten Zwischenstopps. Man kommt zum Beispiel sehr gut und günstig im Liegewagen mit dem Nachtzug von München nach Zagreb oder von Wien nach Berlin.
  • Vergleicht die Kosten für Interrail und Einzelbuchung und plant bei Einzelbuchungen genug Zeit für die Umstiege ein. In unserem Fall haben sich Einzelbuchungen mehr gelohnt, weil wir die Reise auf verschiedene Tage aufgeteilt haben und es auch fast keine Zugverbindungen nach Sarajevo gibt, weshalb sich Bus fahren mehr lohnte.
  • Druckt eure Tickets aus, falls auf der Reise etwas mit eurem Handy passiert!
  • Gerade für die Busfahrten fand ich meine neu erworbene Schlafbrille sehr hilfreich, da ich eher lichtempfindlich bin. Ansonsten empfehle ich auch einen Schlafsack, den wir leider zu Hause vergessen haben.
  • Bedenkt bei der Buchung, dass ihr an der bosnischen Grenze für die Kontrolle aus dem Bus aussteigen müsst.
  • Im März nach Bosnien reisen lohnt sich- es ist noch nicht zu überlaufen, bis 2027 finden Teile des Ramadans im März statt (prüft aber immer die genauen Daten!) und es kann schon sehr sonnig und warm sein!

von Linda Koch