Auf dem Seeweg ins Land der tausend Seen – meine Reise nach Finnland

Wir befinden uns mitten in der Reisezeit und wollen die Welt und ihre wunderbare Natur entdecken, doch wie können wir das gestalten, dass uns diese auch noch lange erhalten bleibt? Almut nimmt uns auf dem Seeweg mit ins Land der tausend Seen

2


30 Stunden auf einer Fähre? Was für andere nach einer unvorstellbar langen Zeit klingt, markierte für mich den Beginn meines Erasmus+ Semesters in Finnland. Anstatt innerhalb weniger Stunden mit dem Flugzeug von einem Land ins andere zu reisen, machte ich mich auf den Weg und legte die über 2200 Kilometer auf dem Land- und Seeweg zurück – und erlebte spürbar die Weite meiner Reise.

Auslandserfahrungen im Studium und darüber hinaus erlebe ich als sehr wertvolle Zeiten des persönlichen und akademischen Wachstums. Die damit verbundene erhöhte individuelle Mobilität hat jedoch auch erhöhte Auswirkungen auf das Klima, sodass ich beschloss, die Reiseroute für meinen längeren Aufenthalt in Finnland mit Straßenbahnen, Zügen, Bussen, U-Bahnen und der Fähre zurückzulegen. Das stoß bei vielen Freunden und Bekannten auf Unverständnis – warum drei Tage so „umständlich“ reisen, wenn man innerhalb eines Tages bequem mit dem Flugzeug fliegen kann?

Wieso hast du dich für eine Reise ohne Flugzeug entschieden?

Bereits vor einem halben Jahr habe ich eine ähnliche Reise nach Finnland unternommen und schon damals nach Flug-Alternativen gesucht. Neben Überlegungen eines Interrail-Tickets hat mich schlussendlich mein Papa auf die Idee mit der Fähre gebracht. Das klang für mich nach einem kleinen Abenteuer, bei dem ich gleichzeitig aus ökologischen Gründen auf das Flugzeug verzichten kann. Nach den positiven Erfahrungen dieser Reise kam es für mich nicht mehr in Frage, die Anreise diesmal anders zu gestalten. Da ich die Zeit hatte und mir diese auch aktiv nahm, wollte ich durch das flugzeugfreie Reisen ganz bewusst die Entfernung spüren, Zeit zum Nachdenken, Verarbeiten von alten und neuen Eindrücken und Vorbereiten auf die Zeit in Finnland haben. Netter Nebeneffekt: für die Fähre gibt es keine Gepäckbeschränkungen, außer, dass das Gepäck mit einem Mal getragen werden können muss. Somit war ich mit meinem Koffer und Rucksack an keine Gewichtsbegrenzung wie am Flughafen gebunden, sondern konnte auch meine Wintersachen für den kalten Norden einpacken.

Wie sah die Reiseroute aus?

Für mich begann die Reise früh morgens in Chemnitz, um von dort aus mit dem Zug über Berlin und Hamburg abends am Skandinavienkai in Lübeck anzukommen - vom hügeligen Osten Deutschlands wurde die Landschaft immer flacher, bis es nachts auf die Ostsee und Fähre zwischen Lübeck/Travemünde und Helsinki ging. Die Einschiffung auf die Fähre beginnt erst kurz vor 23 Uhr, dennoch empfiehlt es sich, schon eher da zu sein und auch bei der Anreise mit den Zügen ausreichend Zeit für Verspätungen etc. einzuplanen, um nicht am Ende die Fähre zu verpassen. Da die Fähre vor allem auch Autos, Busse mit Reisegruppen und LKWs mit Gütern transportiert, sind Fußgänger wie ich eher in der Minderheit. Dafür wird man extra mit einem Transporter vom Hafen abgeholt und auf die Fähre gefahren, wo man neben großen, einrangierenden LKWs aussteigt, und dem nächtlichen Hafentreiben und anderen, ankommenden Fähren zuschauen kann. Auf der Fähre angekommen hat man dann genug Zeit zum Schlafen, Nachdenken, Lesen, in die Sauna gehen, Hörbuch hören und einfach nur dem Meer zuzuschauen. Nach 30 Stunden Fahrt erreicht man langsam Finnland und kann vor der Ankunft im Hafen die Schärenküste und die vielen kleine bewaldeten Inseln bestaunen. Nach dem Anlegen wird man wieder mit einem Shuttlebus zum Hafen gebracht und kann von dort aus mit dem Bus und der U-Bahn ins Zentrum von Helsinki fahren. Die Wartezeit auf den Zug in der Nationalbibliothek Oodi in Helsinki überbrückend, setzte ich nachmittags meine Reise gen Norden fort – je nördlicher wir kamen, desto leerer wurde der Zug. Über Tampere und Seinäjoki fuhr der Zug entlang endloser Birkenwälder, kleinen tiefblauen See und den typischen rot-weißen Holzhäuser nach Vaasa. Dort wurde ich abends, nach drei Tagen durchgehender Reise, von meiner Tutorin am Bahnhof abgeholt – mein Erasmus+ Semester in Vaasa konnte beginnen…

Was hat die Reise zu einem besonderen Erlebnis gemacht? 

Für mich ist es etwas Besonderes, die Weite im doppelten Sinne zu spüren: zum einen die Entfernung zwischen Deutschland und Finnland zu erleben, und zum anderen auf das Meer mit seinem endlosen Horizont zu schauen – und das für einen ganzen Tag, ohne, dass Häuser oder eine wechselnde Landschaft die Sicht einschränken.

Es hatte beinahe etwas Magisches, abends im dunklen Hafen in Deutschland ins Bett zu geht und am nächsten Morgen aufs Deck zu treten, und zum ersten Mal das Meer zu erblicken – so dunkelblau, ruhig und beständig. Ein weiteres Naturschauspiel bot sich abends auf Höhe vom schwedischen Gotland, als die Sonne langsam und feuerrot im Meer versunken ist. Die Stille, nur seicht begleitet vom Rauschen der Wellen und sanften Schwanken des Wassers, war zweifellos für alle Passagiere ein Highlight, genauso wie die Einfahrt in den Hafen von Helsinki, bei der man bereits erste Eindrücke der Schönheit von Finnlands Natur gewinnen kann. Bereits beim Check-In, im Gym oder in der Sauna der Fähre lernte ich nette Mitreisende und deren Ziele in Finnland kennen. So kann, muss man aber nicht die Zeit auf der Fähre allein verbringen.

Auch die Zugfahrt war ein Highlight: bereits vor der Ankunft in Vaasa einmal die Natur Finnlands an einem vorbeiziehen zu sehen und die vielen Birken und Seen zu bestaunen, haben mich gut auf meinen Aufenthalt einstimmen können.

Welche Herausforderungen hattest du bei deiner Reise?

Tatsächlich gab es kaum nennenswerte Herausforderungen! Nur eins sollte man bedenken: Das Gepäck kann gelegentlich sperriger sein, als man es sich vorstellt. Mit einem breiten Rucksack und großem Koffer kann man nicht immer problemlos durch Türen gelangen oder das Gepäck in den Zugablagen verstauen. Nette Mitreisende können aber helfen, und wenn man spontan und gelassen bleibt, kommen alle und alles gut an.

Was würdest du anderen Leuten empfehlen, die nach Finnland ohne Flugzeug reisen wollen?

Es lohnt sich, frühzeitig an das Buchen der Tickets für die Fähre und die Züge zu denken, um auf diesem Weg eine recht kostengünstige Alternative zum Flugzeug zu haben.

Da die 30 Stunden auf der Fähre zwei Übernachtungen inkludieren und die Pflicht besteht, in einer Kabine zu schlafen, kann je nach Wahl der Kabinen (Innen- oder Außenkabine, Einzelkabine oder geteilte Dreier- oder Viererkabine etc.) der Preis für das Ticket variieren. Verpflegung und WLAN müssen kostenpflichtig dazugebucht, oder können wahlweise durch Selbstverpflegung und Digital Detox ersetzt werden. Meine Fähre habe ich direkt bei Finnlines gebucht: www.finnlines.com/de.

Bei der Buchung des Tickets für den finnischen Zug kann man online im Voraus nur mit einem Bankkonto der skandinavischen Länder oder per Kreditkarte zahlen. Tickets sind bei der finnischen Bahngesellschaft VR erhältlich: www.vr.fi/en.

Diese Reise ohne Flugzeug war für mich mehr als nur eine Art der Fortbewegung – sie wurde zu einem bedeutsamen Teil meiner Reiseerfahrung und bot mir tiefe Einblicke in die Natur und Weite von Deutschland, Finnland und dem Teil dazwischen. Sie war ein bewusster Schritt, um das Reisen in seiner Ganzheit und eigenen Geschwindigkeit zu erfahren und dabei Rücksicht auf unsere Erde zu nehmen.

- von Almut Röder