FÖJ: Ein Jahr „Öki“ bei der Naturfreundejugend – viel zu kurze Zusammenfassung eines ereignisreichen Jahres

In diesem Monat endet für viele junge Menschen das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ). Unsere FÖJlerin Anna zieht zum Ende ihres Freiwilligendienstes hin Resümee aus ihrem Jahr in unserer Bundesgeschäftsstelle:

"Gleich vorab – auch wenn er jetzt sogar in der Überschrift stehen mag, distanziere ich mich weiterhin ganz klar vom Begriff „Öki“, den einige so gern für uns FÖJler*innen verwenden. Bevor hier irgendwer denkt, ich sei meinen Werten am Ende doch nicht treu geblieben. Mir fehlte nur was Kreatives als Titel.

Aber zum Thema.

Ich bin Anna, 18 Jahre alt und aktuell noch FÖJlerin in Berlin. Noch – das heißt, mein Freiwilliges Ökologisches Jahr wird in weniger als einem Monat schon wieder vorbei sein, auch wenn mir die Zeit seit Beginn viel kürzer vorkommt als ein knappes Jahr. Und zugleich scheint der vergangene September auch ewig weit weg, ist doch so viel passiert seitdem.

Meine Einsatzstelle ist die Bundesgeschäftsstelle der Naturfreundejugend (NFJ) Deutschlands. Von dem Verband hatte ich bis Anfang vergangenen Jahres ehrlich gesagt noch nie auch nur gehört, wohl auch weil es in der Stadt, in der ich großgeworden bin, keine aktive Ortsgruppe der NFJ gibt. Erst auf der Suche nach einer passenden Einsatzstelle bin ich über sie gestolpert. Und wusste ziemlich schnell: Die muss es werden.

So habe ich die Naturfreundejugend also bei meiner Bewerbung als erste Wunscheinsatzstelle angegeben. Als dann einige Zeit später per Post die Bestätigung kam, dass sie mir tatsächlich als Einsatzstelle vorgeschlagen wird, war ich unglaublich glücklich – und natürlich auch ganz schön nervös. Schließlich kam ich noch ganz frisch von der Schule und hatte außer einem kleinen Nachhilfejob überhaupt keine Berufserfahrungen. Außerdem waren da all die neuen Leute, die schon viel mehr Wissen und Erfahrungen mitbrachten als ich…

Nichtsdestotrotz habe ich im August also meine Siebensachen zusammengepackt, sehr viele Verabschiedungen hinter mich gebracht und mich - voller Vorfreude und schweren Herzens zugleich - auf den Weg nach Berlin gemacht. Und ehe ich mich so richtig darauf hatte einstellen können, war er schon da, der erste Arbeitstag. Obwohl völlig neu – sowohl in einer neuen Stadt als auch in einem neuen Umfeld und unter neuen Menschen – habe ich mich augenblicklich sehr wohl gefühlt an meinem neuen Arbeitsplatz. Die erste besonders große Freude haben mir die von nun an geltenden Arbeitszeiten bereitet: Im Gegensatz zur Schule, wo man (theoretisch) um punkt acht nun mal da sein muss, trudeln hier alle so zwischen acht und zehn ein, je nach Arbeitsweg und Biorhythmus. Schon mal ein absoluter Pluspunkt. Wobei das mit dem länger schlafen bei mir leider auch nur für eine recht kurze Zeit geklappt hat.

Aber Spaß beiseite, den eigentlichen Wohlfühl-Beitrag geleistet haben natürlich all die herzlichen, hilfsbereiten und willkommen heißenden Menschen hier in der Geschäftsstelle. Die beiden Ansprechpersonen, mit denen ich zu Beginn viel zusammengearbeitet habe, die mir Abläufe und Aufgaben erklärt haben und bei Fragen zur Seite standen, aber auch alle anderen sind einfach ein unglaublich tolles Team, das mich mein Bild von Büroarbeit in einem sterilen Büro, in dem alle bloß für sich arbeiten, sehr schnell revidieren ließ.

Die erste Zeit habe ich vor allem damit verbracht, mich ein wenig in der Geschäftsstelle zu orientieren, bei einigen Aufgaben die Öffentlichkeitsarbeit und das Sekretariat zu unterstützen und derweil den Verband etwas besser kennenzulernen, indem ich mir immer mal ein wenig Zeit genommen habe, Publikationen durchzublättern, mich durch unsere Website zu klicken und Inhalte auf Social Media zu durchforsten. Zugleich wurden mir immer wieder neue Dinge erklärt; so habe ich schnell gelernt, Videos zurechtzuschneiden und Untertitel zu erstellen oder mit InDesign einen Lageplan zusammenzubasteln. Und nebenbei kamen immer mal Bestellungen über unseren Online-Shop rein, bei deren Zusammenstellung ich, zunächst noch etwas lost und unkoordiniert durch das Büro rennend auf der Suche nach den bestellten Materialien, den Kopf nach all dem neu Erlernten wieder etwas freibekommen habe.

Zum FÖJ bei der Naturfreundejugend gehört aber weit mehr als nur Schreibtischarbeit – man kommt auch außerhalb des Büros gut rum. Los ging das bei mir Ende September mit unserem großen Politik-Festival „Love Nature. Not Fascism.“. Dort konnte ich nicht nur an vielen spannenden Workshops (zu Themen wie dem „Mythos Deutscher Wald“, grünem Kolonialismus oder der Anastasia Bewegung) teilnehmen, sondern bin zugleich mit Kamera und Aufnahmegerät herumgelaufen, habe Eindrücke eingefangen und sogar mit einigen Referent*innen im Nachhinein noch Interviews geführt.

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Das Politik-Festival in Bielefeld

Keinen Monat später hat es mich dann auf eine internationale Jugendbegegnung in die Niederlande verschlagen, wo wir eine ganze Woche mit Outdoor-Aktivitäten verbracht haben – absolutes Highlight für mich bleibt hier das Mountainbiking, aber auch die Pilzwanderung durch den Wald oder das frühmorgendliche Birdwatching sind mir noch gut in Erinnerung.

Insgesamt war ich während meines FÖJ wohl so viel unterwegs wie noch nie zuvor. Regelmäßig fanden Veranstaltungen, Demos, Gremien oder auch Freizeiten statt, bei denen ich – häufig ausgestattet mit Kamera oder Podcast-Technik – mitgefahren bin. Neben den Niederlanden ging es beispielsweise im November und Dezember nach Fulda, Erfurt und Hannover, im Januar nach Bielefeld, den Monat drauf habe ich mich in Würzburg wiedergefunden, und auch innerhalb von Berlin bin ich gut rumgekommen. Dazu kommen politische Aktionen und Demos: Hauptberuflich auf einer Fridays for Future Demo zu „streiken“, können wohl auch nicht viele von sich behaupten. Im Januar ging es außerdem nach Lützerath, um auf der dortigen Großdemo Statements für eine Podcastfolge zum Thema einzufangen.

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Lützerath am 14. Januar
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Professionelles Fotoshooting auf Waldexkursion in den Niederlanden

Unser Podcast „Hört die Signale“ sollte auch sonst für mein FÖJ zu einem wichtigen Projekt werden. Bei der Naturfreundejugend setzen die FÖJler*innen klassischerweise ihre Aufgabenschwerpunkte je nach Interessengebieten mit dem Team zusammen fest. Weil mir hier eben besonders die Arbeit für den Podcast viel Spaß bereitet hat – die Recherche, das Zusammensuchen von Infos und Einlesen in neue Themen ebenso wie die Aufnahme und Planung mit den anderen aus der Redaktion –, wurde ich entsprechend in viele Folgen eingebunden und habe hier mit verschiedenen Leuten aus dem Verband zusammen spannende Themen bearbeitet.

Ansonsten ist es schwierig, so richtig einen Arbeitsalltag zu beschreiben. Meine Aufgaben haben sich über das Jahr hinweg immer mal wieder verschoben; mal gab es viel für das Jahresheft oder andere Publikationen zu tun – Berichte schreiben, Fotos sammeln, Inhalte überlegen, Korrekturlesen –, mal lag der Fokus auf der Vorbereitung und Gestaltung von Posts für Social Media, und dann stand wieder die Vorbereitung einer Veranstaltung an. Das macht für mich aber auch den Reiz meiner Arbeit hier aus: Es bleibt immer abwechslungsreich, und sobald man gerade das Gefühl hat, in eine Art Trott zu kommen, steht wieder etwas komplett Neues an.

Nichtsdestotrotz bedeutet das FÖJ natürlich zugleich in den allermeisten Fällen eine 39-Stunden-Woche, die bei den Büro-Einsatzstellen letztlich zu einem großen Teil am Schreibtisch verbracht wird. Das kann auf Dauer schon auch ermüdend und anstrengend sein, wie ich nach einigen Monaten feststellen durfte – vor allem im Winter, wenn es gefühlt während der Mittagspause schon dunkel wird. Dann habe ich mir manchmal auch etwas mehr Aktivität an der frischen Luft gewünscht, um nicht immerzu auf meinen PC-Bildschirm zu starren.

Umso mehr habe ich so aber die Seminarfahrten genossen. Diese sind neben fünf Einzelseminartagen ebenfalls fester Bestandteil eines FÖJ in Berlin: Insgesamt vier Mal fährt man jeweils eine Woche lang zusammen mit anderen Freiwilligen aus Berlin raus irgendwo ins Nichts, um sich gemeinsam selbst vorbereiteten Themen zu widmen, viel Zeit draußen zu verbringen mit Kanutouren, Felsklettern, Wanderungen zum See oder SoLaWi-Besichtigungen, und um abends am Lagerfeuer zu sitzen, auf Nachtwanderung Sterne zu gucken und danach bei Kirschsaft oder auch dem einen oder anderen Sterni sozialistische Arbeiterlieder zu singen (gut, Letzteres hängt natürlich ein stückweit von der Seminargruppe ab).

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FÖJ bedeutet auch: seehr viele Lagerfeuer im Laufe des Jahres

Auch sonst spielt sich, so man sich denn dafür entscheidet, das FÖJ bei weitem nicht nur innerhalb der eigenen Einsatzstelle ab: Über diese hinaus kann man sich in Arbeitskreisen (AKs) auf der sogenannten Engagiertenebene mit anderen FÖJleri*innen vernetzen und einbringen sowie als Seminargruppen-, Landes- oder Bundessprecher*in aktiv werden. Die Engagiertenebene sieht jedes Jahr ein bisschen anders aus; welche Arbeitskreise es geben soll und was hier gemacht wird, entscheiden die aktuellen FÖJler*innen immer selbst. In unserem Jahrgang gab es beispielsweise neben anderen AKs den AK-tivismus (bitte keine Kommentare zum Namen, weiß ich selber), mit dem wir vor allem in den ersten Monaten vieles auf die Beine gestellt haben. So sind wir gemeinsam auf Demos gegangen und haben beispielsweise im Februar eine Wochenendfahrt nach Frankfurt am Main und Hanau organisiert, um der Opfer des rassistisch motivierten Anschlags am 19. Februar 2020 zu gedenken und uns mit dem Thema Rassismus sowie rassistische Gewalt in der BRD näher auseinanderzusetzen. Auch fanden mehrere Freiwilligentreffen statt, bei denen wahlweise für die Arbeitskreise gearbeitet wurde oder man sich einfach so mit anderen FÖJler*innen austauschen konnte. Vor allem für Zugezogene wie mich, die ich zu Beginn in Berlin niemanden kannte, war das eine tolle Möglichkeit, andere Leute kennenzulernen und ein neues Netzwerk aufzubauen.

Insgesamt ergab sich so für mich doch ein guter Ausgleich zwischen der inhaltlich immer spannenden, aber eben viel Konzentration erfordernden Arbeit im Büro auf der einen Seite und Orgatreffen mit anderen Freiwilligen (und mit ganz vielen geretteten Donuts), Veranstaltungen auf der Engagiertenebene sowie den ganzen Fahrten über meine Einsatzstelle auf der anderen. Diese Vielseitigkeit meines FÖJ ist es wohl auch, dank der ich am Ende so viel aus diesem Jahr mitnehmen kann. Natürlich hat nicht immer alles auf Anhieb geklappt und lief es nicht immer so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber das ist ja auch das Tolle an der ganzen Sache: Von uns Freiwilligen wird eben – zumindest wenn man nicht gerade in einer richtig blöden Einsatzstelle gelandet ist – nicht direkt Perfektion in jeder Hinsicht erwartet. Im Gegenteil: Das FÖJ ermöglicht es, Verantwortung zu übernehmen und sich auszuprobieren, aber zugleich auch zu wissen, dass es okay ist, wenn nicht alles auf direkt funktioniert, wenn man Fehler macht, wenn mal irgendwas schiefläuft. 

Was ich an dieser Stelle aber auch nicht unerwähnt lassen möchte, ist ein doch für viele relevantes Problem: Mit einem Taschengeld von 510 Euro monatlich kommt man ohne finanzielle Unterstützung der Eltern oder anderer Personen gerade jetzt bei noch immer hohen Preisen und vor allem in Berlin nicht weit, zumindest wenn man wie ich schon ausgezogen ist und seinen Unterhalt selbst bestreitet. Einen Freiwilligendienst muss man sich erst einmal leisten können, das ist aktuell leider die Realität. Auch hier ist die Engagiertenebene wiederum eine richtig gute Möglichkeit, gemeinsam für die Interessen von uns Freiwilligen einzutreten.

Dass ich die Möglichkeit und die finanzielle Sicherheit hatte, ein FÖJ machen zu können, weiß ich sehr zu schätzen. Denn was ich aus meinem Jahr bei der Naturfreundejugend mitnehmen kann, ist so viel mehr als bloß ein kleiner Haufen inhaltlicher Dinge, die ich dazugelernt habe. Es sind prägende, wertvolle Erfahrungen, es ist auch eine neue Selbstsicherheit, die mir all das positive Feedback aus dem Team mitgegeben hat und die mir vorher an vielen Stellen fehlte. Es sind gemeinsame Mittagessen beim Italiener ein paar Häuser weiter, bei denen man über diverse Politiker*innen lästern kann (die ich hier einmal nicht beim Namen nennen will) oder über den nervigen Nachbarn im Parkverbot. Es ist ein buntes Netzwerk von engagierten, offenen, mitfühlenden Menschen, die man im Laufe des Jahres kennenlernt, sind Einblicke in die Jugendverbandsarbeit aus einer mir völlig neuen Perspektive, die Möglichkeit, sich auszuprobieren und auch mal über sich hinauszuwachsen. Das Gefühl, gemeinsam wirksam werden, gemeinsam etwas bewegen zu können.

Abschlussveranstaltung
Unsere selbstorganisierte Abschlussveranstaltung in der Regenbogenfabrik

Mit diesem Gefühl gehe ich aus meinem FÖJ.

Und jetzt ist die Abschlussseminarfahrt einfach schon vorbei und mein letzter Monat als FÖJlerin der Naturfreundejugend hat begonnen. Aber ich gehe wohl nicht endgültig; denn wie es aktuell aussieht, werde ich die Naturfreundejugend so bald nicht los – die kommenden Monate werde ich nebenher noch weiter in der Bundesgeschäftsstelle arbeiten und so auch mithelfen bei der Einarbeitung von unserem*unserer neuen FÖJler*in. Vielleicht ja von dir?"

Hast du auch ein Interesse, ein FÖJ in unserer Bundesgeschäftsstelle zu machen? Dann findest du hier nähere Infos. Außerdem bieten einige unserer Landesverbände FÖJ- und zum Teil BFD-Stellen mit verschiedenen Schwerpunkten an. Schau bei Interesse doch mal unter www.naturfreundejugend.de/go/freiwilligendienste vorbei!