Auf geht’s in die zweite Heimat: Mit der Fähre nach Litauen

Fernweh? Wir wollen die Welt und ihre wunderbare Natur entdecken, doch wie können wir das gestalten, dass uns diese auch noch lange erhalten bleibt? Aleš nimmt uns mit auf seiner Reise in seine zweite Heimat. Ein paar Anregungen und Inspirationen aus flugfreien Reisen.

Wieso hast du dich für eine Reise ohne Flugzeug entschieden?

Ich bin bereits mehrmals nach Litauen gereist, schließlich lebte ich da eineinhalb Jahre und in dieser Zeit probierte ich verschiede Reisemöglichkeiten aus. Neben dem Umweltaspekt finde ich die Reise mit dem Flugzeug sehr unpraktisch und zu hektisch. Litauen ist für mich ein emotionales zweites Zuhause. Mittlerweile bedeutet die Reise hin und zurück für mich immer auch eine Reise in meine Gedanken und Gefühle. Mit dem Flugzeug geht es mir zu schnell, ich habe nicht genügend Zeit, mich innerlich einzustimmen. Darüber hinaus: Meine Bekannten und Freund:innen in beiden Ländern freuen sich immer über einige landestypische Mitbringsel – versuchen Sie mal den litauischen Baumkuchen šakotis in ihr Handgepäck reinzustopfen. Letztendlich das Allerwichtigste: Ich liebe es einfach, stundenlang auf die Ostsee zu schauen und das Leben auf der Fähre zu beobachten.

Was hat die Reise zu einem besonderen Erlebnis gemacht?

Ich bin Anfang November mit der Fähre gereist. Aus Erfahrung wusste ich, dass in der Nebensaison wenig Tourist:innen unterwegs sind. Die meisten Passagiere sind LKW-Fahrer, deren Fahrzeuge sich am Bord befinden. Sie bekommen von ihren Firmen einen Schlafplatz in der Kabine und Verpflegung bezahlt. Deswegen wenn man bereit ist, sich statt im Bett auf vier Sitzplätzen breitzumachen und sich in einem Gemeinschaftsbad frischzumachen oder zu duschen, empfehle ich nur einen Sitzplatz zu buchen. In der Nebensaison ist der Großraum mit Sitzen größtenteils leer. In der Hauptsaison sieht es allerdings anders aus: Der Großraum ist gut gefüllt und in der Nacht unruhig und verhältnismäßig laut.

Der Hafenbus bringt die eingecheckten Passagiere zur Fähre. Diese betritt man über mehrere Rolltreppen. Am Empfang angekommen, befindet man sich in dem Herzen des Passagierteiles. Links und rechts sind gemütliche Sitzgelegenheiten mit genügend Platz zum Verweilen, ein Fernseher, Schachbrett und Bücher fehlen nicht. Genauso gemütlich ist auch das Bordcafé „Lighthouse“ oder die immer gut besuchte „Navigator‘s Bar“.

Das Gepäck hat man die ganze Zeit in dem Großraum, für Wertsachen gibt es kleine Tresorschränke. Genauso wie allen anderen in dem Großraum blockiere ich gleich beim Betreten meine vier Sitze in der Mitte als improvisiertes Bett. Menschen, die im Herbst und Winter die Fähre nehmen, sind meistens Stammgäst:innen. Auf die tatsächlich gebuchten Sitzplätze auf der Bordkarte wird nicht geachtet, schließlich kennen hier alle im Raum die inoffiziellen Spielregeln. Kurz darauf macht sich die Fähre abfahrbereit. Ich gehe kurz auf die frische Luft, um mich von dem in Dunkelheit gekleideten Hafen zu verabschieden. Nach einem kurzen Rundgang auf dem Schiff gehe ich wieder rein und steuere die Bar an. Dahin leitet mich der Duft angenehme Knoblauchduft von kepta duona, paniertem Knoblauchbrot mit Käse, einer litauischen Snack-Spezialität.

Bei der ersten Bestellung stottere ich etwas, schließlich habe ich Litauisch einige Monate nicht benutzt, nichtsdestotrotz zaubert mein Versuch ein Lächeln im Gesicht des Barkeepers. Das Bordpersonal besteht schließlich größtenteils aus Litauer:innen. Keine Angst: Mit Englisch kommt man hier genauso gut durch. Unter den Passagieren hört man am häufigsten Litauisch und Russisch, vereinzelt Deutsch und Englisch. Es ist Musik für meine Ohren, dem Sprachenmix zu lauschen. Allgemein herrscht eine sehr entspannte Atmosphäre am Bord, genug Raum und Zeit für sich, aber auch für ein Small-Talk auf welcher Sprache auch immer oder mit Händen und Füßen. Hier hat man schließlich keine Eile, wenn die Fahrt circa 20 Stunden dauert.

Die Leinen sind losgelöst, die Motoren führen die Fähre aus der Bucht und das Abendessen wird serviert. Ich bevorzuge hierfür die Selbstbedienungstheke vor dem etwas teurerem Bordrestaurant. Auf der Fähre werden alle drei Mahlzeiten serviert und sie können entweder bei der Buchung der Bordkarte hinzugefügt werden (einzeln oder in Sparkombinationen) oder vor Ort einzeln gekauft werden. Ich habe mir dieses Mal tatsächlich alle drei Mahlzeiten in einem Angebotspaket geholt. Es ist Geschmackssache, nichtsdestotrotz würde ich allen das Frühstück sehr empfehlen, es wertet das Reisegefühl sehr auf: Einen warmen Kaffee oder Tee am Morgen in der Hand und draußen die Ostsee. Generell finde ich das Essen sehr gut mit vielen vegetarischen Komponenten und einer Option für Veganer:innen. Wenn man sich ausschließlich vegan ernährt, empfehle ich nochmal das Preis-Leistungs-Verhältnis für sich selbst zu bewerten.

Welche Herausforderungen hattest du bei Deiner Reise?

Grundsätzlich muss man bedenken, dass die Fähre immer abends in dem Zielhafen ankommt. Für mich persönlich gäbe es nur einen möglichen Anschluss, um meinen jeweiligen Zielort bei der Hin- und Rückreise mit dem Zug oder Bus zu erreichen. Es wäre mir aber zu stressig gewesen. Deswegen habe ich in Klaipėda und in Kiel noch eine Übernachtung gebucht und bin erst am nächsten Morgen weitergefahren. Diesen Aspekt sollten auch hinsichtlich der Kosten alle für sich individuell bewerten.

Tatsächlich war aber die größte Herausforderung die unerwartete Störung an der Oberleitung zwischen Salzwedel und Uelzen, weswegen meine Zugfahrt nach Kiel unterbrochen wurde. Zum Glück haben sich hilfsbereite Mitreisende gefunden, die mir einen Platz in einem geteilten Taxi überlassen haben, damit ich rechtzeitig meine Anschlüsse und die Fähre überhaupt kriegte.

Was würdest du anderen Leuten empfehlen, die nach Litauen ohne Flugzeug reisen wollen?

Wem die Fähre als Reisemöglichkeit nicht zusagt, kann ich den Bus empfehlen. Die Busfahrt über Nacht geht gefühlt sehr schnell, wobei das sicherlich sehr subjektiv ist. Dank des Fortschritts beim Bauprojekt „Rail Baltica“ besteht auch die Möglichkeit, mit dem Zug nach Litauen zu fahren. Das habe ich allerdings selbst noch nicht ausprobiert. Wenn ich diesen Punkt meiner To-Do-Liste abgearbeitet habe, können Sie sich auf einen weiteren Reisebericht freuen.

- Aleš Janoušek