Interview mit der Jugenddelegierten für nachhaltige Entwicklung

Sophia Bachmann, Naturfreundin und seit 2019 Jugenddelegierte für nachhaltige Entwicklung, erzählt von ihren Aufgaben und erklärt ihre Sicht auf die Umsetzung der Agenda 2030.

Hallo Sophia. Erzähl uns doch mal, was genau machst du als Jugenddelegierte?

Als Jugenddelegierte haben wir drei große Hauptaufgaben: zum einen sind wir offizieller Teil der deutschen Regierungsdelegation und begleiten diese auf internationale Konferenzen. 

Der zweite große Pfeiler sind Gespräche mit der Jugend. Wir fahren in ganz Deutschland rum und halten Vorträge und Workshops bei Verbänden, Vereinen, Schulen oder Konferenzen. Dabei sammeln wir auch selber Input – wie stellt sich die Jugend die Umsetzung der Agenda 2030 vor und was können wir von diesen Ideen in die Arbeit der Regierungsdelegation mit einbringen. Denn wir unterstützen die Regierungsdelegation zwar, aber wir können sie auch kritisieren und sagen, da fehlt‘s noch und die und die Position müssen wir noch mit einbringen.

In der dritten Funktion sprechen wir mit Politiker*innen und versuchen für die Umsetzung der Agenda 2030 zu werben. Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass nachdem viel beschlossen wurde, nun in den letzten zehn Jahren auch endlich gehandelt werden muss.

Wofür möchtest du dich besonders einsetzen und was möchtest du in deiner Amtszeit erreichen?

Mein Steckenpferd ist Bildung für nachhaltige Entwicklung. Diese sollte in Schulen, in Lehrplänen, aber auch in Ausbildungszentren verankert werden. Das ist ein sehr langfristig angesetztes Projekt, aber Bildung ist nun mal die Wurzel für jede gute Entwicklung. 

Ein weiteres Thema sind soziale Ungleichheiten. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Rechtsruck, den wir gerade erleben, auf soziale Ungleichheiten zurückzuführen ist. Da möchte ich versuchen die Zusammenhänge aufzuzeigen.

Warum sollten wir als Naturfreund*innen uns mit den UN Nachhaltigkeitszielen, kurz SDGs, beschäftigen?

Ich glaube, es liegt in der Natur der Naturfreundejugend und der NaturFreunde, sich damit auseinanderzusetzen. Die Naturfreundejugend ist ein sehr breiter Verband mit einem unglaublich großen Angebot an Sport, aber auch an Politischem und Sozialem. Und genau das macht die SDGs ja auch aus, dass sie sich nicht nur auf einen Bereich konzentrieren, sondern die ökonomischen, ökologischen und sozialen Ziele zusammenfassen. Und vor allem auch im Bereich Jugendbildung ist es einfach super wichtig, die SDGs mit einzubeziehen.

Die SDGs sind bis 2030 angesetzt. Glaubst du, wir können das noch schaffen? Was müssen wir tun, um das 2030 Ziel (zumindest in Deutschland) einhalten zu können?

Wir haben nur noch 10 Jahre und deswegen wurde jetzt auch die Decade Of Delivery ausgerufen. Es ist jetzt also auch in den Strukturen der UN durchgedrungen: Es reicht nicht, immer nur Beschlüsse zu fassen und Aktionspapiere zu schreiben, sondern es muss jetzt was passieren.

Für die Umsetzung brauchen wir mehr Jugendbeteiligung. Wie stellt sich denn unsere Jugend die Zukunft vor? Es ist nun mal unsere Zukunft, um die es geht. Da wünsche ich mir auf nationaler Ebene stärkere Jugendbeteiligung, zum Beispiel durch eine Senkung des Wahlalters. Aber auch auf internationaler Ebene sollte die Jugend in den Vereinten Nationen stärkeren Einfluss bekommen. Das Jugenddelegiertenprogramm ist leider immer noch relativ einmalig. Es gibt noch andere europäische Staaten, die ebenfalls Jugenddelegierte schicken, aber die meisten kommen aus westeuropäischen Ländern. Die Repräsentation von jungen Menschen aus dem globalen Süden fehlt leider komplett. Aber gerade die sind wichtig, um den Blickwechsel zu schaffen und in die Brennpunktthemen frischen Wind reinzubringen. 

Konkret für Deutschland wird aktuell die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie überarbeitet, das ist der nationale Umsetzungsplan für die SDGs in Deutschland. Dort werden Indikatoren festgelegt, um dann zu überprüfen, wie weit wir in Deutschland mit der Umsetzung der SDGs sind. Leider stellen wir immer wieder fest, dass die verankerten Indikatoren überhaupt nicht ausreichend sind, um die SDGs wirklich dauerhaft zu implementieren. Zum Beispiel kommt der Bildung für Nachhaltige Entwicklung noch gar kein großer Stellenwert in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie zu und dafür gibt es auch gar keine Indikatoren. 

Die Bertelsmann Stiftung hat untersucht, welche Länder die UN-Nachhaltigkeitsziele am besten erfüllen. Dabei stellte sich heraus, dass die ersten 10 Länder alle europäische Länder sind. Wie stehst du dazu, dass die SDGs hauptsächlich von Europa umgesetzt werden?

Dieses Ergebnis ist meiner Meinung nach nicht überraschend. Die europäischen Länder sind aufgrund der globalen Wirtschaftsweise einfach bessergestellt und können viel mehr finanzielle und technologische Mittel nutzen. Und da sehen wir schon, wie globale Ungerechtigkeitsstrukturen reproduziert werden. Um das zu ändern brauchen wir finanzielle und strukturelle Hilfe im globalen Süden, aber auch einen strukturellen Wandel in unserer Wirtschaftsweise, damit die Länder im globalen Süden gestärkt werden und nicht von den europäischen, vor allem westeuropäischen, Ländern ausgebeutet werden.

Wie kann die Naturfreundejugend dich und die Umsetzung der SDGs unterstützen?

Natürlich ist für uns als Jugenddelegierte die Jugendpartizipation super wichtig. Ich finde die Naturfreundejugend ist der perfekte Rahmen, um sich selbst zu organisieren und einfach mal was zu machen. Da gibt es ein ganz breites Handlungsspektrum: man kann als Teamer*in dabei sein, Umweltbewusstsein stärken, oder gucken, wie soziale Ungleichheiten mit unserer Wirtschaftsweise zusammenhängen, vielleicht Referent*innen einladen und eine Veranstaltung machen – da sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.

Hast du durch dein Engagement bei der Naturfreundejugend Erfahrungen gemacht, die dir bei deinem Amt helfen?

Ja, auf jeden Fall. Zunächst mal wegen der Themenbereiche, mit denen ich mich gedanklich auseinandersetze. Aber auch ganz konkret, wenn ich als Teamerin einen Projekttag zur Waldpädagogik organisiert habe, denn das ist ja ganz klar Bildung zu nachhaltiger Entwicklung. Dann hat mir natürlich auch die Fachstelle FARN super viel Input gegeben. Nicht unbedingt direkt zu den SDGs, aber das macht wieder klar, wie verschiedene Themenbereiche zusammenhängen. FARN beschäftigt sich ja mit rechtsextremen Strukturen im Natur- und Umweltschutz. Ich glaube hier ist es wichtig fit und wachsam zu bleiben, um zu merken, wie zwei Bereiche, die vielleicht offensichtlich nichts miteinander zu tun haben, dann doch miteinander zusammenhängen.

Worauf freust du dich besonders in den nächsten zwei Jahren?

Es stehen jetzt natürlich super viele Konferenzen an. Da freue ich mich einfach, mal mitzubekommen, wie das alles abläuft. Zum anderen bin ich gespannt auf den Austausch mit ganz vielen neuen Menschen – sei es auf politischer Ebene oder mit der Jugend. Da freue ich mich schon noch mehr die brennenden Themen mitzukriegen und dann auch zu versuchen diese umzusetzen und an die Politiker*innen weiterzugeben.

Wem willst du gerne mal deine Meinung sagen und warum?

Vor allem unserer Umweltministerin Svenja Schulze. Denn neben den bereits genannten Themen ist ja vor allem Umweltschutz etwas, das wir ganz stark mitkriegen und wofür sich gerade unglaublich viele junge Menschen einsetzen und auf die Straßen gehen. Wir merken einfach, dass das noch viel zu langsam vorankommt.

Wie sieht deine persönliche Utopie aus?

Meine persönliche Utopie wäre, dass bis 2030 die SDGs umgesetzt sind und wir in einer Welt leben, in der alle Menschen die gleichen Lebensverhältnisse und die gleichen Chancen haben. Es gibt keine Armut mehr, keinen Hunger und alle Menschen haben den gleichen Zugang zu Bildung und Ressourcen, egal welcher Art.

Zum Abschluss: Was möchtest du uns Naturfreund*innen mit auf den Weg geben?

Immer mobil bleiben, nicht aufgeben. Ich finde, wir als Naturfreundejugend sind da auf einem sehr guten Weg. Ich würde sagen einfach weitermachen und Leute mobilisieren, sich an Demovorbereitungen beteiligen und immer schön aufmerksam bleiben.